Andreas Steinbach, Gebrauchtwagen-Experte von Indicata, verwendet in seinen Präsentationen gerne die Statistik, wonach beim Ertragsmix des Autohauses aus Neuwagen, Aftersales und Gebrauchtwagen die ersten beiden langsam, aber stetig zurückgehen. Geringere Stückzahlen und niedrigere Margen sorgen für Rückgänge der ohnehin kargen Neuwagen-Erträge. Das Zulassungsloch der vergangenen Jahre und die wachsende Elektromobilität lassen zunehmend die Erträge der Werkstätte schrumpfen. „Bleibt der Gebrauchtwagen als Wachstumspotenzial für das Autohaus“, so Steinbach. Dabei ist hier längere Zeit eher das Gegenteil zu sehen gewesen. Als „notwendiges Übel“ wurde der Gebrauchtwagen über viele Jahre in den Markenbetrieben gesehen, der nur Aufwand in der Aufbereitung und Ärger mit der Gewährleistung bringt. Die Transparenz im Internet und neue Anbieter, die Fahrzeuge frei ankaufen, haben die Eintauschquote reduziert, gleichzeitig waren die Plätze – zumindest bis Corona – ohnehin mit Kurzzulassungen und Jungwagen gefüllt, die der Hersteller auf diesem Weg in den Markt gepumpt hat.

Nun ist alles anders: Der überhitzte Neuwagen-Markt ist abgekühlt und mit ihm die taktischen Kurzzulassungen, die Margen wurden deutlich gekürzt und der Neuwagen ist nun für viele Menschen zu teuer. All diese Entwicklungen haben die Bedeutung des Gebrauchtwagens erhöht, der maßgeblich zu Erträgen, Kundenbindung und Werkstatt-Auslastung beiträgt. Für die erfolgreiche Umsetzung verweist Steinbach auf das Potenzial von professionellem Gebrauchtwagen-Management unter Verwendung von entsprechenden Tools und Analysen. 

Preise, Kalkulationen, Standzeiten

Ein zentrales Problem bleibt die Preisgestaltung. „Noch immer wird vielfach aus dem Gefühl heraus kalkuliert – mit fatalen Folgen. Viele Preise orientieren sich zu sehr an der Vergangenheit, während sich Marktbedingungen bereits verändert haben“, so Steinbach. Gerade bei Langsamdrehern summieren sich sogenannte Aging-Kosten durch Standzeiten, Marketing und Aufbereitung schnell: „Oft so stark, dass das Fahrzeug wirtschaftlich nicht mehr tragfähig ist. Die richtige Kalkulation ist entscheidend, basierend auf Marktpreisen und den durchschnittlichen Standtagen des Modells.“

Hohe Dynamik im Gebrauchtwagen-Geschäft

Die Online-Transparenz hat das Gebrauchtwagen-Geschäft massiv verändert, in den vergangenen Jahren ist eine gewaltige Dynamik dazugekommen. Selbst ein absoluter Gebrauchtwagen-Profi wie Christian Sakl von Vogl + Co in Graz verlässt sich nicht ausschließlich auf seine Erfahrung, sondern nutzt Tools wie Indicata. „Eine korrekte DropDown-Kalkulation beherrschen die wenigsten in der Branche“, sieht Sakl noch Potenzial im Management: „Ohne klare Struktur und Verantwortlichkeiten bleibt das Gebrauchtwagen-Geschäft ineffizient.“
In der eingangs erwähnten Statistik zu Aftersales, Neu- und Gebrauchtwagen darf noch ein wichtiger Effekt ergänzt werden: Mehr Gebrauchtwagen bringen Zusatzerträge in die Werkstätte. Denn der Gebrauchtwagenkunde (aus der Region) kommt zum ausliefernden Händler, Garantie-Lösungen binden den Kunden an den Betrieb und sorgen dafür, dass eventuelle Gewährleistungsthemen von einem Dritten bezahlt werden. „Ich kaufe im Jahr etwa 600 Fahrzeuge zu, ein großer Teil dieser Kunden kommt damit in unsere Werkstätte. Das ist ein Umsatz, den wir sonst nicht gemacht haben“, plaudert Sakl aus dem Nähkästchen. Vom Neukundengewinn und dem zusätzlichen Potenzial an Neuwagen-Kunden gar nicht zu reden. Dabei setzt Sakl beim Zukauf auf „echte“ Gebrauchtwagen, die sich vom Neuwagen abheben und andere Kunden ansprechen.
„Viele Autohäuser sind reine Neuwagen-Händler“, weiß Sakl. Das mag sich bei entsprechender Betriebsgröße noch ausgehen, doch was ist „entsprechend“. Und selbst große deutsche Autohäuser wie Kuhn+Witte aus der Region Hamburg haben einen Strategiewechsel eingeleitet: „Wir kaufen massiv Fahrzeuge mit einem Alter zwischen 5 und 8 Jahren zu. Das ist unser Kerngeschäft und wird uns das Servicegeschäft der Zukunft sichern“, erklärte etwa Geschäftsführer Oliver Bohn beim A&W-Tag 2024.

Bewusstsein und Potenzial vorhanden

„Der Gebrauchtwagen ist beim Händler wieder wichtiger geworden. Das Bewusstsein, dass es sich um ein wichtiges Standbein handelt, ist gestiegen“, erkennt Horst Pohl von HP Autohaus-Consulting. Auch das Potenzial ist vorhanden. „Die Autos der Kunden sind teilweise 3 Jahre älter als geplant.“ Bei den gestiegenen Neuwagen-Preisen geht sich da nicht immer der Neuwagen aus. „Die Dynamik hat sich verändert, die Grundprozesse für ein gutes Gebrauchtwagengeschäft – von der ordentlichen Fahrzeugbewertung bis zu sauberen Fotos – sind aber nach wie vor die entscheidende Basis“, so Pohl. 
Das Gebrauchtwagen-Geschäft ist weder Übel noch ist es ein Hexenwerk. Aber es braucht ein klares Bekenntnis, Prozesse und Vorgaben.