KLARTEXT: Mit welchen konkreten Maßnahmen lässt sich die Ertragssituation im Gebrauchtwagenhandel kurzfristig verbessern?

Harald Krieger/Marc-Uli Lech: Hierzu ist es zunächst immer sinnvoll, seine Zukauf-Quellen regelmäßig zu pflegen, Konditionen zu überprüfen und gegebenenfalls andere, interessantere Quellen zu erschließen. Hilfreich dabei: ein gutes eigenes Network.
Erträge können kurzfristig durch vermehrte Nutzung von Online-Marketing optimiert werden. Denn Werbung über Google und Social Media ist nicht nur äußerst zielgerichtet, sondern in der Regel deutlich günstiger als klassische Werbe-Kanäle.
Prüfen sollte man auch die Finanzierungs-Quote. Finanzierungen können nennenswerte Zusatzerträge generieren. Und viele Kunden sind mit ihren Rabattforderungen deutlich zurückhaltender, wenn finanziert wird.

Aus Ihren Erfahrungen aus der Praxis: Wo lassen die Betriebe immer wieder Geld liegen?

Krieger/Lech: Die Antwort ergibt sich aus den oben genannten Punkten. Online-Marketing ist für viele Händler nach wie vor Zeitverschwendung. Dabei ist der Zugang zu diesem Thema oft einfacher, als man denkt. Einerseits können gut gemachte YouTube-Tutorials helfen. Aber es gibt auch Schulungsangebote, wie zum Beispiel die Santander Meisterklasse, in der die Bank ihren Händlerpartnern bereits seit fast acht Jahren wertvolles Know-how vermittelt. Geld bleibt auch liegen, weil gerade im Gebrauchtwagen-Segment Verkaufsgespräche nicht professionell genug geführt werden. Eigene Mystery Shoppings, aber auch Coachings am POS zeigen, dass oft die vom Kunden gewünschte Zahlungsweise nicht ermittelt wird. Womit Finanzierungsofferte häufig nur auf explizite Kundennachfrage angeboten werden.
Ein weiteres Manko im Gebrauchtwagen-Handel ist eine fehlende, ehrliche Nachkalkulation. Was habe ich tatsächlich verdient? Bei welchem Geschäft habe ich mich verkalkuliert, wo wurde richtig Geld erwirtschaftet? Die Antworten auf diese Fragen dienen nicht dazu, Schuldige zu benennen, sondern aus Fehlern zu lernen und gute Erträge zu verdienen.

Wie sehen sinnvolle Prozesse im Gebrauchtwagenmanagement aus und in welchen Bereichen können digitale Lösungen verstärkt zum Erfolg führen?

Krieger/Lech: Wer heute wirtschaftlich erfolgreich sein will, braucht mehr als nur Verkaufstalent: Klare Prozesse, digitales Know-how und ein Blick auf relevante Kennzahlen sind entscheidend. Ein effizienter Gebrauchtwagen-Prozess beginnt beim Ankauf. Digitale Bewertungstools helfen bei der marktgerechten Preisermittlung. Die Fahrzeuge müssen schnell – idealerweise in drei Tagen – verkaufsfertig gemacht werden, denn jeder Tag Standzeit kostet – nämlich durchschnittlich 0,1 Prozent des Fahrzeugwerts. Bei 70 Fahrzeugen im Bestand entstehen so leicht über 700.000 Euro Standkosten pro Jahr. Das Ziel hierbei sollte sein, dass spätestens nach 60 Tagen das „stehende“ Fahrzeug in den gezielten „Abverkauf“ kommt. DMS- und CRM-Systeme sorgen intern für Übersicht, Lead-Management und Online-Marketing (zum Beispiel über Social Media oder Google) steigern die Reichweite extern. Ein wichtiger weiterer Punkt: Eine Reaktionszeit von maximal zwei Stunden auf Kundenanfragen erhöht deutlich die Verkaufschancen und verbessert dadurch das Ergebnis.
Kennzahlen wie der Lagerumschlag (Ziel: 6-mal pro Jahr), der Bruttoertrag (mindestens 11 Prozent) oder der Deckungsbeitrag III (3 Prozent) helfen, das Geschäft zu steuern und notwendige Erträge zu generieren. Finanzierungs- und Garantiequoten sichern zusätzliche Erträge und fördern aktiv die Kundenbindung.
Auch die E-Mobilität spielt eine zunehmende Rolle. Händler, die bereits jetzt beginnen, sich mit gebrauchten E-Fahrzeugen auseinanderzusetzen und bei den Verkäufern Kompetenz aufbauen – zum Beispiel mit Batterie-Zertifikaten oder Schulungen – schaffen Vertrauen und heben sich im Markt ab.

Unser Fazit: Wer Prozesse optimiert, Digitalisierung gezielt nutzt und Kennzahlen im Blick hat, wird aus dem Gebrauchtwagenhandel ein stabiles Ertragsmodell machen. Denn: Gebrauchtwagen verkaufen kann jeder – Geld damit verdienen nur die Profis.

Stichwort Mitarbeiterqualifikation: Was macht einen guten Gebrauchtwagen-Verkäufer aus, welche Aus- und Weiter-bildungsmaßnahmen sind unerlässlich?

Krieger/Lech: Eine fundierte Ausbildung ist wichtig, nur leider ist diese bei manchen Gebrauchtwagen-Verkäufern schon Jahrzehnte her. Umso wichtiger ist eine regelmäßige Auffrischung der eigenen Kompetenzen. Aber auch der Erwerb von neuem Know-how ist als Erfolgsfaktor essenziell. Oft sehen wir als Trainer und Coaches, dass bei Gebrauchtwagen-Verkäufer/-innen zum Beispiel ein grundlegendes Wissen über Elektromobilität und die Vermarktung von BEVs fehlt. Stark gefragt sind aktuell auch Telefon-Kompetenzen für die Autohaus-Vertriebler.
Was die Hersteller den Verkäufern auch im Bereich Gebrauchtwagen-Know-how anbieten, ist für freie Gebrauchtwagen-Händler nicht nutzbar. Hier können Inhouse-Trainings und Coachings helfen oder auch Schulungs-Angebote qualifizierter, freier Anbieter. Noch ein Best-Practice-Beispiel: Manche Händler beauftragen regelmäßig eigene Testkäufe und lassen diese professionell auswerten. Daraus kann ein spezifischer, eigener Schulungsbedarf abgeleitet werden.

Noch brummt das Gebrauchtwagengeschäft, die Nachfrage ist hoch: Wie können sich Händler auf Zeiten mit weniger starker Nachfrage vorbereiten?

Krieger/Lech: Hierzu empfehlen wir Weitblick und gute Vorbereitung. Leider ist es oft so, dass bei reduzierter Nachfrage in puren Aktionismus verfallen wird. Besser ist es zweifelsohne, rechtzeitig seine Hausaufgaben zu machen.

Ein Beispiel: Was für viele Neuwagenverkäufer seit Jahren eine Selbstverständlichkeit ist, betrachten viele Gebrauchtwagen-Vertriebler mit Argwohn. Wovon ist die Rede? Vom Bestandskunden. Dieser muss auch im Gebrauchtwagen-Vertrieb gepflegt, gehegt und immer wieder einmal kontaktiert werden. Wie wäre es einmal mit einem telefonischen Zufriedenheits-Call nach der Fahrzeug-Auslieferung? Oder mit einer rechtzeitigen Kontaktaufnahme bei auslaufenden Gebrauchtwagen-Finanzierungen? Ein heißer Lead übrigens!

Marc-Uli Lech ist Diplom-Wirtschaftspädagoge und seit mehr als 25 Jahre Trainer und Coach. Gestartet bei der Santander Consumer Bank in Deutschland, ist Lech auch in Österreich seit 10 Jahren für namhafte Handels-Unternehmen im Kfz-Business sowie als Banken-Partneragentur tätig. 
Kontakt: info@lech-training.de

Harald Krieger bringt über 35 Jahre Erfahrung in der Automobilbranche mit, war 18 Jahre aktiv im Autohaus und ist seit 2003 als Trainer und Berater für Vertriebsorganisationen tätig. Sein Spezialgebiet: Marketing und Verkaufsunterstützung mit Fokus auf Gebrauchtwagen.