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Über 300 Fachbesucher kamen am 9. November in die Wiener Hofburg. Eigentlich wäre es gar nicht notwendig gewesen, das Publikum im Saal der Österreichischen Nationalbibliothek wachzurütteln: Doch die Eingangsworte von Moderator Dkfm. Hannes Brachat ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen. "ImMoment wird der Automarkt von manchen Anbietern systematisch gekauft. Wenn bis zu 50 Prozent der Neuzulassungen taktischer Natur sind, muss man hinterfragen, was das für die Zukunft bedeutet", sagte der Herausgeber des deutschen Fachmagazins "Autohaus".

Aus heutiger Sicht seien Strukturbereinigungen unvermeidlich, meinte Brachat. Er unterstrich aber auch die nach wie vor vorhandenen Ertragschancen: "Wir können durch Prozessoptimierung noch 20 Prozent gutmachen, ohne dass wir uns vergewaltigen."

"System ist verloren"

Für Raunen unter den Zuhörern sorgten die Worte des Unternehmenssanierers Dr. Erhard F. Grossnigg. "Der Fahrzeughandel braucht die Erneuerung. Das bestehende System ist unverbesserlich verloren", meinte Grossnigg, der in der Kfz-Branche vor allem durch die Abwicklung der ehemaligen Tarbuk-Aktivitäten bekannt ist. Er forderte eine der Risikosituation angemessene Rendite von 8 bis 15 Prozent, wisse allerdings, dass dies unrealistisch sei: "Doch die stetige Reduktion der Händlerspanne durch die Hersteller und die Mechanismen der freien Preisbildung führen zu einer drastischen Reduktion der Deckungsbeiträge im Neuwagenverkauf." Weiters habe der Markenhandel unter CI-Kosten in "zum Teil realitätsfernen Höhen" sowie wachsender Konkurrenz durch Herstellerniederlassungen (beim Neuwagenvertrieb) und freie Werkstätten (im Service) zu leiden, so Grossnigg. Er erwartet daher einen drastischen Strukturwandel: Bis 2015 könne es um 30 Prozent weniger selbstständige Händler geben.

"Handel muss Geld verdienen"

Ungeteilte Aufmerksamkeit zog Wiesenthal-Geschäftsführer Dr. Alexander Martinowsky auf sich: "Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Werkstätte auch in Zukunft den Gesamtbetrieb tragen wird. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch der Handel per se Geld verdient." Dies sei in den vergangenen Jahren oft zu kurz gekommen: "Es istaber nicht das Selbstverständnis des Handels, für Glanz und Gloria des Herstellers möglichst viele Autos in den Markt zu bringen. Wir müssen damit auch wieder Geld verdienen!"

"Händler sind selbst verantwortlich"

"MeinerÜberzeugung nach gehören Verträge zwischen Importeuren und Händlern, sobald sie einmal unterschrieben worden sind, in die Schublade. Wenn man nur die Rechte und Pflichten einer Handelsorganisation diskutiert, drohen sehr schnell Marktanteilsverluste", analysierte Dr. Felix Clary und Aldringen, Vorsitzender des Arbeitskreises der Automobilimporteure. Auch die Ertragsprobleme des Handels sollen "nicht ständig strapaziert werden". Die Hersteller seien sehr wohl an starken Partnern interessiert: "Prinzipiell sind selbstständige Händler für ihre selbstständigen Ergebnisse aber selbst verantwortlich."

Mehrmarkenbetrieb bleibt wichtig

Laut Clary gibt es inÖsterreich gewisse Regionen, in denen ein stabiles Vertriebssystem ohne den Mehrmarkenvertrieb nicht funktionieren kann. Jedoch ist es legitim, wenn ein Hersteller mittels Standards "möglichst gute Bedingungen für seine Marken schaffen will". Insgesamt erwartet Clary eine Beruhigung der Debatte:"Wir werden ab Juni über dieses Thema wahrscheinlich gar nicht mehr reden."

Den Handlungsspielraum als selbstständiger Importeur von Hyundai und Mitsubishi hob Komm.-Rat Ing. Alfred Stadler, Vorstandsvorsitzender der Wolfgang Denzel Autohandels AG, hervor: "Wir verhandeln mit den Europazentralen über unsere Einkaufskonditionen, aber die Händlernetze gestalten wir." Gerade in kleineren Märkten gebe es "gewisse Freiheiten für die Importeure und auch die Möglichkeit, landesspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen".

"Zulassungsstatistik ist Makulatur"

Unterschiedlich beurteilten Importeure und Händler den immer weiter steigenden Anteil der Kurzzulassungen am Gesamtautomarkt. Während es sich laut Clary und Aldringen um ein seit Jahren bekanntes Phänomen handelt und diese Fahrzeuge "überwiegend im eigenen Land bleiben" würden, geht Komm.-Rat Burkhard Ernst, Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels, von massiven Exporten aus: "Dadurch wird unsere Zulassungsstatistik zur Makulatur."

Ernst will daher die vor einigen Jahren gescheiterten Bemühungen um eine Deklarierung von Exporten innerhalb der allgemeinen Zulassungsstatistik neu forcieren: "Wir müssen wissen, wie viele Autos in Österreich bleiben und wie viele exportiert werden oder vielleicht gar nie hier gewesen sind." Die nächsten Monate werden zeigen, ob dieses Ansinnen von Erfolg gekrönt ist: Beim A&W-Tag wurde es von den Branchenteilnehmern jedenfalls beinahe einhellig begrüßt. (HAY/ENG/MUE)

"Strukturwandel ante portas"

Die schlimmsten Zeiten hat die Automobilwirtschaft hinter sich, doch von einer echten Entspannung kann nicht die Rede sein: Das ist das Fazit der Ertrags-und Eigenkapitaldaten, die Mag. Peter Voithofer präsentierte. Der Geschäftsführer der KMU Forschung Austria berichtete, dass im Bilanzjahr 2010/11 die Durchschnittserträge im Kfz-Handel von 0,8 auf 1,3 Prozent sowie in der Reparatur von 1,4 auf 1,8 Prozent gestiegen seien. Damit liege man aber nach wie vor weit unter dem Durchschnitt der marktorientierten Wirtschaft (3,47 Prozent). "38 Prozent der Kfz-Betriebe befinden sich nach wie vor in der Verlustzone", so Voithofer. Trotz eines "kontinuierlichen Anstiegs" in den letzten Jahren sei auch die Eigenkapitalausstattung nach wie vor mangelhaft. "26 Prozent der Kleinund Mittelbetriebe in derKfz-Wirtschaft sind überschuldet", diagnostizierte der Experte. Bei Firmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro liege dieser Anteil sogar bei rund einem Drittel. Die Schlussfolgerung von Voithofer: Da im Gegensatz zu den kränkelnden (Klein-)Betrieben umsatzmäßig wachsende Kfz-Einzelhändler höhere Renditen, mehr Eigenkapital und eine kürzere Schuldentilgungsdauer aufweisen würden, sei "ein weiterer Strukturwandel ante portas".

"Schmierstoff = Profit"

"Wir bringen den Kfz-Betrieben Profitabilität", unterstrich Ing. Peter Spatzierer, Generaldirektor von Castrol Austria. Weltweit werde jeder zweite Pkw ab Werk mit Schmierstoffen der BP-Konzernmarke befüllt: "Das ist für Sie als Werkstätte der ideale Angriffspunkt, um mit unseren Produkten Ihre Margen zu optimieren." So bedeute der "Nachfüll-Liter" Zusatzerträge, die "im wahrsten Sinn des Wortes auf der Straße liegen" würden.

"Internet wird wichtiger"

"70 Prozent der von Trost befragten Werkstätten finden das Internet zur Neukundengewinnung und zur Kundenbindung gut geeignet", sagte Dipl.-Kfm. Sorin Anghelina, Leiter Werkstattkonzepte bei Trost. "21,5 Prozent bevorzugen Anzeigen, Flugblätter etc. Die Werkstätten sind bereits zu 20 Prozent mit Facebook-Auftritt, zu 18,5 Prozent mit Festpreis-Angeboten, zu 11,5 Prozent mit Online-Terminvereinbarung sowie zu 7,7 Prozent mit Reparaturgutscheinen im Internet vertreten."

"Verdammt heiße Kunden"

Ein Drittel aller Kunden, die auf www.autoscout24.at surfen, plane, innerhalb der nächsten zwei Monate ein Auto zu kaufen, gar 60 Prozent innerhalb des kommenden Jahres: Dies seien "verdammt heiße Kunden", sagte Dipl.-Kfm. Peter Lorenzen von AutoScout24. Umso wichtiger sei es für Autohäuser, die (potenziellen) Käufer im Internet perfekt anzusprechen. "Die Seite muss aktuell sein und direkte Kontaktmöglichkeiten bieten."

Nur die "halbe Miete"?

Wenn am 31. Mai 2013 die bisherige Kfz-GVO ausläuft, werde das mancherorts erwartete Katastrophenszenario für Händler und Werkstätten nicht eintreffen, meint Dr. Norbert Gugerbauer: "Bei den bereits abgeschlossenen Verträgen haben die Importeure ihre rechtlichen Möglichkeiten nicht voll genutzt. Das lässt für die Zukunft hoffen."

Dennoch darf laut dem Kartellrechtsexperten kein Zweifel daran bestehen, dass die Händlerrechte durch den Wechsel zur "Schirm-GVO" massiv eingeschränkt werden. Beispielsweise steigt die Obergrenze für den verpflichtenden Einkauf beim Vertragsgeber von 30 auf 80 Prozent. Werkstätten-und Handelsverträge dürfen künftig voneinander abhängig gemacht werden, der Mehrmarkenvertrieb darf mithilfe eines auf 5 Jahre befristeten Vertrags verboten werden. Darüber hinaus fallen die Pflicht zur sachlichen Kündigungsbegründung, die zweijährige Kündigungsfrist und das Recht auf freie Betriebsveräußerung innerhalb eines Markennetzes weg. Wird die nunmehr als "Kfz-Sektor-Schutzgesetz" firmierende Mittelstandsinitiative, die kurz vor der Verabschiedung im Nationalrat steht, daran etwas ändern?

Gugerbauer ist skeptisch: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses Gesetz wahrscheinlich sogar einstimmig verabschiedet wird, doch das ist nur die halbe Miete." Zu erwarten seien nämlich verfassungsrechtliche Einwände, die unter anderem mit dem "Gleichheitsgrundsatz" begründet werden könnten.