Wie selten zuvor waren sich die Referenten des 13. Tags der Automobilwirtschaft unter dem Titel "Evolution oder Revolution: Neue Weichenstellung in der Automobilwirtschaft?" einig: Die neue Gruppenfreistellungsverordnung (GVO 330/2010) kann die anstehenden Aufgaben der Branche nicht lösen. Gefragt ist vielmehr eine Evolution der Händlernetze sowie der Geschäftsmodelle. Wie Uwe Brossette, Rechtsanwalt der Kanzlei Osborne Clarke, betonte, könnten die Parteien bei der neuen GVO selbst entscheiden, ob sie diese umsetzen wollten oder nicht. Wenn Hersteller und Importeure die Verträge jedenfalls nicht durch Kündigung oder im gegenseitigen Einvernehmen änderten, bleibe alles, wie es sei. So habe Mercedes-Benz gezeigt, was man durch gute Vereinbarungen und einen "gesunden Menschenverstand" erreichen könne.

"Wir hätten nachladen können"

Auch Michael-Julius Renz, Leiter Vertrieb der Audi Deutschland AG, betonte, dass Audi die Verträge in Zusammenhang mit der neuen GVO bewusst nicht gekündigt habe, obwohl man hätte "nachladen" können. Damit signalisiere Audi, dass man an Kooperation und nicht Konfrontation mit dem Handel interessiert sei. Entscheidend für die Zukunft seien eine hohe Leistungsfähigkeit und das Ziel, den freien Investor in seinen Aktivitäten nicht zu viel zu beschneiden. "Die Händler sind die tragende Säule des Geschäfts", sagte Renz. Immerhin liege mit Ausnahme von 8 Prozent der gesamte Absatz in den Händen der Partner. Allerdings würde die Hälfte der autorisierten Werkstätten weniger als 3.000 Stunden pro Jahr verkaufen. Da habe man Handlungsbedarf, ist Renz überzeugt.

Ran an die Systeme

DieÜberbesetzung der Netze bestätigte auch ZDK-Präsident Robert Rademacher: "Wir müssen an die Systeme ran." Zu viele Partner eines Fabrikats sind laut Angaben des ZDK-Präsidenten genauso schädlich wie zu viele Fahrzeuge eines Herstellers in der Pipeline. Für beides müsse eine Lösung her, wennman nicht wolle, dass die Rentabilität im Handel auf der Strecke bleibe. Die Netzreduzierung bei Mercedes-Benz und Porsche Ende der 1980er-Jahre sei für die verbleibenden Partner "segensreich" gewesen. Allerdings sollten die Händler selbst das "Zepter" in die Hand nehmen, denn nur sie wüssten,wie es tatsächlich in ihren Regionen aussehe. Für ein neues Selbstbewusstsein im Handel sprach sich Peter Ritter, Präsident des Mercedes-Benz-Vertreterverbandes, aus. Der autorisierte Handel müsse der Schlüssel für jeden Hersteller sein. Ritters Botschaft: "Wir sind selbstbewusste und freie Händler. Der Hersteller braucht uns." Eine gute Partnerschaft mit dem Hersteller sowie tragfähige Geschäftsmodelle, die sich an verändernde Märkte anpassen, sind für den Unternehmer entscheidend. Eine Revolution in der Automobilbranche wird damit also trotz neuer GVO ausbleiben, so das übereinstimmende Fazit der Referenten.

Phase der Verunsicherung

Das Jahr 2012 ist laut ifa-Leiter Prof. Willi Diez von einer Phase der Verunsicherung geprägt. Zur "Druckbetankung" des Marktes meinte er: "Wenn nicht so viele Tages- und Eigenzulassungen getätigt worden wären, wäre das Minus in diesem Jahr größer." Insgesamt erwartet Diez für 2013 ein "schwieriges Jahr". Von einer Krise sei die Branche gleichwohl weit entfernt. Davon seien geradeauch junge Menschen (42 Prozent) laut einer Umfrage von puls Marktforschung überzeugt. Diez zeigte sich zuversichtlich, dass ab 2014 die Neuzulassungen in Europa angesichts eines hohen Ersatzbedarfs in einigen Ländern wieder nach oben tendieren werden.