Zugegeben, Journalisten ist Arroganz nicht völlig fremd und wenn jemand wie ich aus dem Umfeld Publikumszeitschrift samt hohen Auflagen kommt, ist der Begriff Fachzeitschrift und alles, was damit zusammenhängt, davon sicher nicht ausgenommen.

Man fragt sich halt, was daran schwer sein soll, in einem unabhängigen Fach-Medium entsprechend journalistisch zu arbeiten, von Trends unbeleckt und wahrscheinlich freier vom Druck des Marktes als bei Publikumszeitungen.

Da taucht also eine Allround-Journalistin wie ich lässig ein in eine andere Medienwelt. Die wirkt gediegen und ist klein und fein, aber dennoch nicht ohne Tücken. Man muss sie nur orten. Es ist wie bei einer Gesundenuntersuchung: Der Arzt ist der Fachmann, sein Diagnose-Werkzeug das Stethoskop. Auch im Maschinenbau gilt: mit dem Stethoskop hineinhören, Lagergeräusche wahrnehmen und einen beginnenden Maschinenschaden erkennen. Jemand wie ich stürzt sich nun mit Eifer hinein, nimmt scheinbar Vertrautes auseinander und setzt es neu zusammen, kreuzt Fachwissen mit Kultur und Gesellschaft, hört die Branche ab und sorgt so für einen anderen Blickwinkel - der sich auch bei mir deutlich veränderte.

Naturgemäß befasst sich eine Fachzeitschrift überwiegend mit einem klar eingegrenzten Fachgebiet und wendet sich an professionell und berufsmäßig interessierte Leser. Von Profis geschrieben, von Profis gelesen - ein klassischer Business-to-Business-Kommunikator für die Industrie der Branche. Mit geringem Streuverlust bringt sie auf diese Weise Informationen an ihr Zielpublikum. Und hier sitzt das Problem. Denn die jeweilige Branche zählt zu den wichtigsten Inserenten des Medium, ist aber gleichzeitig deren Informationsquelle. Da wird der Grat, auf dem die Fachkollegen dahinwandern, schon ziemlich schmal. Schreiben sie fundiert und objektiv kritisch, dann riskieren sie mitunter verärgerte Inserenten. Bauen sie die Berichterstattung unbedarft auf netten PR-Häppchen der Branche auf, von der sie abhängig sind, dann werden sie mit der Zeit unglaubwürdig. Die Industrie fordert, statt zu fördern, sie sollte Gärtner sein und nicht Zaun. Denn Qualität und Fachmedium schließen einander nicht aus. Im Gegenteil. Man kann dem Fachmann schon zugestehen, dass er sich engagiert und dafür auch Verantwortung übernimmt.

Mit Fingerspitzengefühl und dem Wissen, dass nur eine glaubhafte, zuweilen auch kritische Berichterstattung über wichtige Branchenereignisse die Leser bei der Stange hält -was letztlich wieder den Inserenten und dem Verleger dient. Qualität kommt von Konsequenz. Und auch im Fachmedium gilt die Spielregel: Wer Qualität will, muss sich auf Konflikte einlassen. Eine - Verzeihung - "Leck-mich-Fraktion" darf nicht den Ton angeben und wer dauerhaft blockiert oder Unwahrheiten verbreitet, muss in einem guten Medium Konsequenzen spüren.

Das weiß ein Mann mit den Eigenschaften eines Gerhard Lustig genau. Und er weckt mit seinen Stärken und seiner Arbeitsweise regelmäßig Argwohn. Er gestaltet Beziehungen professionell und schreckt nicht davor zurück, auch innerhalb der Branche den Zorn auf sich zu ziehen. Das ist der Takt, den er in der A&W Monat für Monat vorgibt und zeigt, wie Mut zur Fachkompetenz aussehen kann und soll. Und das Team rund um ihn zieht mit. Die Kollegen geben sich nicht mit reproduzierten Meldungen zufrieden oder warten darauf, von Geschichten gefunden zu werden: Sie gehen lieber selbst auf die Suche.

Derweil lehnt sich eine Konsumentin wie ich gemütlich zurück, klickt im Internet neue Automodelle an und macht sich keine Vorstellung davon, was die Branche treibt. Im Gegenteil.

Ich freue michüber all den technischen Firlefanz, der aus einem Auto inzwischen ein rollendes Hightech-Labor macht. Und erwarte, dass alles, was heute die Luxuskarossen ziert, morgen auch in der günstigen Kompaktklasse Standard ist. Natürlich verschwendet man keine Gedanken an Hersteller und Zulieferer. Dabeisind in diesem Bereich große Umbrüche im Gange. Denn eine sich verlagernde Wertschöpfung mischt die alten Strukturen auf. Die Branche muss ihre Aufgaben neu sortieren und sich selbst umstrukturieren, weil die mobile Welt in den kommenden zehn bis zwölf Jahren wahrscheinlich völlig anders aufgestellt wird. Was voraussetzt, dass die Fachmedien-Branche die ganze Klaviatur mitspielt und nicht nur eine Oktave. Und dass die Oktaven zueinander passen und aufeinander verweisen.

Medien entwickeln sich wie Persönlichkeiten weiter - und darum ist auch AUTO&Wirtschaft nicht stehen geblieben. Die A&W-Mannschaft weiß, dass sie etwas verpasst, wenn sie ihren Fokus nicht hin und wieder auf Weitwinkel stellt. Lustig ist der unerschrockene Trendsetter, der das fördert und kurzerhand eine Publikumsjournalistin wie mich ins Fachteam geholt hat. Um das Expertendasein nicht so zu leben, wie es der deutsche PhilosophFriedrich Nietzsche in diesem Zusammenhang ausdrückte: "Man ist ein Mann seines Faches um den Preis, auch das Opfer seines Faches zu sein." Keine Sorge, hier behalten alle den Überblick.

Und jeder kennt seinen Arbeitsbereich. Fachjournalisten haben Fachkompetenz. Sie kennen sich inhaltlich ohne permanent neue Einarbeitung in ihrer Berichterstattung aus. Allrounder wie ich haben Formalkompetenz, kennen die journalistischen Arbeitstechniken und wissen, wie man sich in neue Themengebiete einarbeitet. Da kommt es schon vor, dass das beherzte Draufgängertum einer "Nicht-Expertin" das klug fundierte Fachwissen der Kollegen durcheinander wirbelt - dafür aber den Profis die Augen öffnet. Gut so, denn die Kollegen wissen natürlich sehr genau, wovon sie schreiben, auch wenn Sie, liebe Leser, das nicht immer glauben wollen.

Angedacht war dieses Jubiläumsheft schließlich als vergnüglicher Lesestoff samt fachlich hohem Nutzwert. Also, um in der Fachsprache zu bleiben, ein Hybrid; ein aus unterschiedlichen Prozessen zusammengesetztes Ganzes. Und wie im Automobilbau liegt die Besonderheit darin, dass die zusammengebrachten Elemente für sich schon Lösungen darstellen, durch das Zusammenbringen aber neue erwünschte Eigenschaften entstehen. Ich denke, die spannende Kreuzung aus Fachmedium und Publikumszeitung, in der parallel dazu die Entwicklung der A&W erzählt wird, ist weitgehend gelungen. Leider ächzen nach wie vor manche Texte unter der Last ihres Fachchinesisch wie ein Schiff in schwerer See. Wer am Fluss wohnt, sagt ein Sprichwort, versteht die Fische. Mag sein, ich fische da allerdings im Trüben.

Nichtsdestotrotz habe ich eine ganze Menge dazugelernt. Aufs Fachsimpeln werde ich mich jedenfalls nicht einlassen. Denn das könnte eine Konstellation ergeben, die mir gar nicht gefiele: da der Fachmann -und dort der Simpel?«