In die Anfangsjahre von AUTO&Wirtschaft fiel das aufsehenerregende Honda-Urteil (2Ob 692/89). In diesem kam der Oberste Gerichtshof (OGH) zu folgender Entscheidung: einem schuldlos gekündigten Autohändler ist vom Importeur ein Ausgleich zu zahlen. Auch die Begründung war spannend: Der Vertragshändler, befand das Gericht, sei im Grunde wie ein Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingegliedert. Deshalb seien auf diese Zusammenarbeit in rechtlicher Analogie die Schutzbestimmungen des aus dem Jahr 1921 stammenden Handelsvertreterrechtes anzuwenden.

Unklar blieb damals, wie hoch der durch die Kündigung bewirkte Verlust des Markenvertrages zu bewerten ist. Nach langen Überlegungen legte der OGH in dem gegen Mazda ergangenen "Teyrowsky-Urteil" (9 Ob 2065/96h) fest, dass die dem Händler aus dem Ein-und Verkauf von Neuwagen und Ersatzteilen verbleibende Nettospanne als Basis des Ausgleichsanspruches zu dienen hat. Von dieser vom Händler erwirtschafteten "Jahresprovision" sind jedoch aus "Billigkeitserwägungen" Abschläge (von 30 bis 50 Prozent) vorzunehmen.

Der Ausgleichsanspruch für das Ersatzteilgeschäft wurde knapp danach vom damaligen Fiat-Importeur erfolgreich bekämpft (4 Ob 79/99t)."Angesichts von Handelsspannen an die 30 Prozent, die die üblichen Provisionssätze von Handelsvertretern bei weitem übersteigen", klammerte der OGH dieses Geschäft ausdrücklich aus. Zudem sei "das Ersatzteilgeschäft grundsätzlich bloßes Nebenprodukt des Werkstattbetriebes"(6 Ob 218/00b).

Eine wesentliche Verbesserung brachte jedoch ein Ford-Urteil (4 Ob 54/02y), mit dem der OGH die Berechnung des Ausgleichsanspruches der deutschen Judikatur angepasst hat. Als Bemessungsbasis dienen seither zwar nur die Geschäfte mit "Stammkunden", dafür müssen zugunsten des Händlers die aus der Kündigung resultierenden Provisionsverluste der nächsten fünf Jahre berücksichtigt werden (6 Ob 248/07z) - wobei dieser Ausgleichsanspruch jedenfalls mit einer Jahresprovision "gedeckelt" ist.

Trotz allem bleiben derartige Auseinandersetzungen für beide Seiten weiterhin riskant. Denn den Gerichten ist es erlaubt, den vom Händler eingeklagten Ausgleichsanspruch nach "Billigkeitserwägungen" zu reduzieren. Das steht im freien Ermessen des Richters, zumal der OGH eine Überprüfung dieser Ermessensentscheidung mit dem Argument zurückwies,dass es dabei immer auf "die Umstände des Einzelfalles ankommt"(4 Ob 189/07h).

Für die Importeure wurde es im Laufe der Jahre immer riskanter, Verträge fristlos oder vorzeitig zu beenden. Denn der OGH entschied im Verfahren 9 Ob 32/99t, dass die Beurteilung, ob "die Nichterfüllung bedungener Leistungen" zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigt, "nur an Hand des Einzelfalles beurteilt werden kann". Also suchten die Importeure nach Gründen, um sich durch ein "Verschulden" des Händlers den Ausgleichsanspruch zu ersparen. Doch das Gericht blieb auf Seiten der Händler. In Urteil 8 Ob 295/99m wurde klar gelegt, dass "ein einmaliger Verstoß gegen das Verbot des Verkaufes an Wiederverkäufer" außerhalb des Markennetzes nicht derart gravierend sei, um eine fristlose Kündigung zu begründen. Das konnte die Importeure nicht entmutigen.

Einige Zeit lang hofften sie, sich durch den Konkurs den Ausgleichsanspruch eines ungeliebten Händlers ersparen zu können. Schließlich räumt ihnen die Konkurseröffnung die Möglichkeit ein, den Vertrag mit dem Händler fristlos zu kündigen. Dem schob der OGH ebenfalls einen Riegel vor (2 b 275/98z): Es sei "in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität nicht ungewöhnlich, auch ohne eigenesVerschulden insolvent zu werden".

Offen bleibt auch die Frage, was bei Vertragsende mit dem vom Händler angeschafften Ersatzteilund Neuwagenlager geschehen sollte. In den Verträgen hatten die Hersteller festgelegt, dass sie davon nichts oder kaum etwas zurücknehmen müssen. Das wurde vom OGH jedoch anders gesehen (1 Ob 359/99x): Wenn der Vertrag unverschuldet aufgelöst wird, ist der Importeur zur Rücknahme von Ersatzteilen und Spezialwerkzeug verpflichtet. Begründet wurde dies mit einer "nachvertraglichen Treuepflicht", da ein gekündigter Vertragspartner ja kaum mehr die Möglichkeit hat, diese Sachen sinnvoll zu verwerten. Große Hoffnungen setzten Händler und Werkstätten in dieKfz-GVO. Doch schon bald nach Einführung der ersten GVO 1475/95 vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass es sich dabei "um rein kartellrechtliche Freistellungsnormen handelt, die jedoch keine zivilrechtlichen Regelungen enthalten".(8 Ob 295/99m). Er folgt dabei der Rechtsansicht des Fiat-Anwaltes Dr. Hanno Wollmann, dass diese Verordnungen "kein Sonderprivatrecht für bestimmte Typen von Verträgen schaffen wollten".

Die schon damals dagegen geäußerten Einwände fanden beim OGH kein Gehör. Er erklärte, die Judikatur des EuGH (C-226/94) habe "unzweifelhaft klargemacht, dass diese GVOs keine zwingenden Vorschriften aufstellen, die die Gültigkeit oder den Inhalt von Vertragsbestimmungen unmittelbar berühren oder die Vertragsparteien zur Anpassung verpflichten". Die geforderte neuerliche Einholung einer Vorabentscheidung sei daher "nicht erforderlich".

So wie der OGH gelegentlich seine Meinungändert, passierte dies auch beim EuGH. Er kam am 20. September 2001 im sogenannten "Courage-Urteil" (C-453/99) zur Ansicht, dass aus Verstößen gegen das EU-Wettbewerbsrecht direkte zivilrechtliche Schadenersatzansprüche ableitbar sind: Unmissverständlich legte er klar, dass die praktische Wirksamkeit der im EG-Vertrag festgelegten Wettbewerbsbestimmungen beeinträchtigt wären, "wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist. Aus dieser Sicht können Schadenersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Gemeinschaft beitragen". Das bedeutet: Bei Verstößen der Hersteller/Importeure gegen das EU-Wettbewerbsrecht stehen den geschädigten Händlern/Werkstätten zivilrechtliche Schadenersatzansprüche zu. Für die Kfz-Branche bleibt es spannend.

Denn angesichts dieser EuGH-Judikatur wartet sie gespannt darauf, ob sich der OGH in den kommenden 25 Jahren doch noch zurÄnderung seiner bisherigen - gegenteiligen -Rechtsmeinung durchringen wird.«