Elisabeth Gürtler ist seit mehr als zwanzig Jahren Geschäftsführerin
des Unternehmens Sacher. Meisterlich schafft sie es, Tradition und
Moderne zu vereinen. Ihr Credo: "Der Ausdruck eines früheren
Zeitgeistes ist kein Grund, ihn zu behalten und eins zu eins
weiterlaufen zu lassen."
Jemand wie sie lümmelt nicht einfach herum; jemand wie sie, der zur
Disziplin erzogen wurde, hat wahrscheinlich auch keine Freizeit.
Oder, wie sie einmal in einem Interview sagte, nur ein schlechtes
Gewissen, wenn sie sich eine solche gönnt. Besitzt also jemand wie
sie, die stets perfekt gestylt in der Öffentlichkeit auftaucht, so
etwas wie einen Jogginganzug? Sie bleibt die Antwort schuldig, lacht
nur herzhaft. Elisabeth Gürtler, die Dreifaltigkeit aus Disziplin,
Fleiß und Perfektion sitzt inmitten des in leuchtendem Grün
gehaltenen Restaurants "Anna Sacher" und bestellt "Kaffee mit
Schlag". Das verwundert bei jemandem, der höchstens Kleidergröße 34
trägt. "Ja", sagt sie bestimmt und gibt damit auch ihr Lebensmotto
vor, "bei mir gibt es nur ganz oder gar nicht."
Gar nicht, würde man sagen, was den legeren Look betrifft. "Ach
wissen Sie", erklärt sie lächelnd, "ich bin doch früher ein
Horse-Girl gewesen, also dauernd im Stall." Das ist wahrscheinlich
Muße genug, wenn man Elisabeth Gürtler heißt, das Sacher-Reich managt
und reiten bereits das Lässigste ist, was man in seiner Freizeit tut.
Im Berufsleben hingegen hat sie sich ihren Weg zum Erfolg selbst
beinhart vorgegeben: Er besteht aus harter Arbeit und professioneller
Disziplin -Charaktermerkmale, die gern als Tugenden beschrieben
werden. Und sie hat das, was man im Wienerischen oft als "richtiges
G"spür" bezeichnet. Sie ist Querdenkerin, Vordenkerin und vor allem
Vorausdenkerin - sie antizipiert. "Ich betreibe", erklärt sie ihren
Unternehmensstil, "Management by Exception." Was wörtlich "Führen
nach dem Ausnahmeprinzip" bedeutet. Soll heißen: Bestimmte
Aufgabenbereiche werden an die untereFührungsebene delegiert. Werden
diese nicht erfüllt oder entsteht eine Abweichung vom
Unternehmensziel, dann erst greift Gürtler ein. Gutachten zu allem
und jedem brauche sie ebenso wenig wie die vielen Meetings, meint
sie. Sie lasse sich, wenn sie von etwas überzeugt sei, "auch nix
dreinreden".
Der Erfolg gibt ihr recht. Sie hat das "Unternehmen Sacher", das
Hotels der Luxusklasse in Wien und Salzburg betreibt sowie Cafés in
Wien, Salzburg, Innsbruck und Graz, vom traditionsbeladenen,
plüschigen Image befreit und zu einem modernen Betrieb
umfunktioniert. Das Hotel visà-vis der Oper hat sie innerhalb von
acht Jahren vom Dach bis zum Keller komplett erneuert. Ihre
Einstellung zum Begriff Tradition ist kompromisslos. "Tradition",
sagt sie, "ist doch nur eine Art von Rechtfertigung, dass ich nichts
Neues tu.""Das Sacher heute", erklärt sie, "gestaltet die Tradition
von morgen."
Das mehr als 200-Millionen Euro schwere Torten- und Hotelimperium
gehört Gürtlers Kindern Alexandra und Georg. Peter Gürtler, ihr
geschiedener Mann und Eigentümer des Hotels, hatte Selbstmord
begangen und den gemeinsamen Kindern alles hinterlassen. Die beiden
waren damals noch minderjährig und Gürtler übernahm als
"Zwischenlösung". Das war vor 21 Jahren. "Ichhabe", meint sie
kokett, "zumindest nichts kaputt gemacht." Spätabends, wenn sie nach
Hause kommt, sei sie einsilbig. Mit ihrem Mann, dem Schauspieler
Helmut Lohner, spreche sie nicht über ihren Arbeitsalltag. "Nein",
sagt sie entschieden, "er hat ja von Hotellerie keine Ahnung." Und
umgekehrt? Wenn er abends kommt, dann fragt sie ihn, wie die Probe im
Theater gewesen sei. "Und er sagt dann, na ja." Sie sei, gesteht sie
dann, "sprechfaul". Eigentlich verständlich.«