Wird das Auto auch in der Zukunft eine Art "Heilige Kuh" für die
Österreicher darstellen? Haben Elektroautos überhaupt eine Chance?
Oder gehört die Zukunft dem Carsharing, der Eisenbahn, der "Bim" und
dem Bus? Dr. Sophie Karmasin, bekannte Motivforscherin der Nation, im
Interview.
Es ist nicht eine wirklich zentrale Gegend, in der das Büro der
Motivforscherin liegt: Ecke Anastasius-Grün-Gasse/Gymnasiumstraße -
dort also, wo das Währinger Cottageviertel beginnt. Keine U-Bahn weit
und breit. Und doch will Dr. Sophie Karmasin nicht auf öffentliche
Verkehrsmittel verzichten, wenn sie zu einem geschäftlichen Termin in
die Stadt fährt. "Mit dem 40A bin ich relativ rasch beim Schottentor
und kann unterwegs noch meine Unterlagen anschauen."
Und das Auto?"Mit dem fahre ich jeden Tag ins Büro." Bei Strecken
über 100 Kilometer setzt sich Karmasin aber auch gerne in die
Eisenbahn. "Außer wenn es sich zeitlich gar nicht anders ausgeht."
Außerdem will sich Karmasin demnächst bei car2go registrieren lassen,
um kurze Wege in Wien auch mit einem geliehenen smart zurücklegen zu
können: Denn schließlich liegt das Büro gerade noch innerhalb des
Geschäftsgebietes dieses neuartigen Mobilitätskonzepts.
Wenn man so will, dann ist die Motivforscherin eine Vorreiterin der
neuen Form von Mobilität: "Früher war man entweder Autofahrer oder
hat öffentliche Verkehrsmittel benutzt", sagt Karmasin. "Doch heute
ist man auch auf einer Strecke oft intermodal unterwegs und steigt
um." Dieser Trend werde sich noch verstärken, glaubt sie: "Nicht nur
aus Kostengründen, sondern auch wegen der Bequemlichkeit."
Aus diesem Grund erwartet sich Karmasin auch eine stärkere
Wertschätzung der Mobilität: "Jetzt muss man nachdenken, wie man eine
Strecke am besten zurücklegt - nicht nur weil es Parkpickerln gibt
und die Treibstoffpreise steigen. Daher werden die Leute auch jene
Strecken, die sie mit dem Auto zurücklegen, mehr schätzen. Aber auch
die Wege, diesie mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil sie
keinen Parkplatz suchen müssen."
Den Verkehrspolitikern müsse es gelingen, in den Köpfen der Menschen
neue Gedanken in Gang zu bringen: "Nämlich, dass sie sich
drei-,viermal am Tag entscheiden können, wie sie eine Strecke
zurücklegen." Auch neue Apps, jederzeit mit dem Smartphone abrufbar,
werden die Entscheidung erleichtern, ob man für den nächsten Weg von
A nach B das eigene Auto, ein öffentliches Verkehrsmittel, das Taxi,
das Fahrrad oder car2go wählt - oder vielleicht überhaupt zu Fuß
geht.
Dies gilt aber vor allem für die Menschen in den Städten. "Im
ländlichen Bereich ist man ja ohne Auto entweder abgeschnitten oder
auf jemand anderen angewiesen." Daher glaubt Karmasin auch nicht,
dass das Auto den Status als eine Art "Heilige Kuh" verlieren wird.
"Vor allem für die jungen Menschen am Land ist das Auto noch immer
etwas sehr Wertvolles."
Daher werde das eigene Auto für die große Mehrheit der Österreicher
nach wie vor unverzichtbar sein, sagt Karmasin. "Auch wenn man
vielleicht weniger damit fahren wird. Ob Familienurlaub oder
Großeinkauf: Man ist viel zu sehr daran gewöhnt, dass es auf diese
Weise funktioniert."
Ändern wird sich laut Karmasin aber auch der Stellenwert des Autos in
der Bevölkerung. War das Auto bis in die 1950er-Jahre das Synonym für
Wohlstand, so galt später der Satz: "Wer kein Auto hat, gehört nicht
zum Mittelstand."
Heute, so Karmasin, sei alles vielschichtiger: "Es wird für jedes
Segment unterschiedliche Verkaufsargumente geben müssen. Eine
wichtige Schiene werden die Ökoautos, also Hybrid-und
Elektrofahrzeuge darstellen. Aber auch kleine, sparsame Stadtautos
ohne viel Tamtam werden sich gut verkaufen."
Daneben zählt Karmasin "coole Single-Autos wie den Mini" zu den
Gewinnern der nächsten Jahre. Ähnliches gilt auch für das seit Jahren
boomende Segment der Sport Utility Vehicles (SUV)."Aber auch das
Luxussegment wird wichtig bleiben. Und auch Sportwagen wird es immer
geben. Hingegen wird sich der klassische Golf immer schwieriger
verkaufen lassen und auch die klassische Limousine ist zu wenig spitz
- die muss schon einen besonderen Anspruch haben."
Doch was ist mit den Elektroautos, die von vielen als das
Allheilmittel der Zukunft hingestellt werden? Da unterscheidet
Karmasin zwischen der allgemein positiven Einstellung derÖsterreicher zur E-Mobilität und der Kaufbereitschaft: Laut einer
Untersuchung der Salzburg AG halten 73 Prozent der Befragten
Elektroautos für "sehr positiv" oder "positiv" - doch 66 Prozent
können sich nicht vorstellen, ein E-Fahrzeug zu kaufen.
Und auch Karmasin selbst machte mit einem geliehenen Elektroauto
nicht die besten Erfahrungen: "Es war mitten im Winter, die Heizung
hat bei minus 10 Grad nur selten funktioniert und schließlich ist
auch der Scheibenwischer ausgefallen."«