In den letzten Jahren hat sich das Verhalten der Kunden im Automobilhandel spürbar verändert. „Die Verunsicherung ist gestiegen, Kunden suchen heute mehr denn je nach Orientierung“, erklärt Automotive Business Coach Dipl.-Wirtsch.-Ing. Florian Kunert. Trends wie Elektromobilität und neue Vertriebsmodelle treiben diese Entwicklung zusätzlich voran. Doch trotz der Digitalisierung bleibt eines konstant: „Die Beziehung zum Kunden ist und bleibt der entscheidende Erfolgsfaktor.“
In einem von Kunert vor Kurzem moderierten Kundenpanel wurde deutlich: Auch in Zeiten von Onlinebuchungen und Konfiguratoren wünschen sich viele Menschen – gerade bei komplexeren Entscheidungen – den persönlichen Ansprechpartner. „Standardthemen wie Reifenwechsel oder Servicetermine werden gerne digital erledigt, aber wenn es um individuelle Beratung geht, bevorzugen Kunden das direkte Gespräch“, so Kunert.
Besonders bei Marken mit Agenturvertrieb (mit identischen Verkaufspreisen) erkennt Kunert eine zunehmende Tendenz, von großen zu kleineren Betrieben zu wechseln, weil dort oft die persönliche Betreuung besser ist.
Unsicherheit bei Kunden und Händlern
Die gesamtwirtschaftliche Lage, verbunden mit technologischen Umbrüchen, sorgt für Unsicherheit – nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei den Händlern selbst. „Viele Autohausorganisationen sind aktuell stark mit sich selbst beschäftigt“, so Kunert. Diese Unsicherheit wird aber auch vom Kunden wahrgenommen: „Wenn das Autohaus nicht weiß, wohin die Reise geht, spürt das der Kunde – bewusst oder unbewusst.“
Das Resultat: Zurückhaltung beim Fahrzeugkauf, vor allem beim Neuwagen. „Es braucht jetzt Orientierung und individuelle Beratung – und das sowohl analog als auch digital.“ Denn der Kunde ist heute besser informiert denn je, kennt Forenbeiträge, Konfigurationsempfehlungen und sogar häufige Probleme einzelner Modelle. Trotzdem: „Die Entscheidung für den richtigen Antrieb oder die passende Finanzierungsform wie Kauf, Leasing oder auch Abo braucht ehrliche Beratung, die auf das -tatsächliche Nutzungsverhalten eingeht.
Beratung sollte sich am Fahrprofil orientieren
„Verkäufer beraten oftmals nicht hinsichtlich des Bedarfs, sondern hinsichtlich des Stückzahldrucks bei bestimmten Antrieben oder Modelldrucks“, weiß Kunert. Kennt man den Druck bei Stückzahlen, Zielerreichungen und Boni, ist das zwar verständlich, „untergräbt aber das Vertrauen des Kunden, der spüren muss, dass es um ihn geht.“ Speziell bei den Antriebsvarianten wie etwa unterschiedlichen Hybridmodelle ist es entscheidend, dass sie zur tatsächlichen Nutzung passen.
„Händler, die offen, individuell und transparent beraten – unabhängig vom Antrieb oder Finanzierungsmodell – genießen deutlich mehr Vertrauen. Und genau darum geht es in der heutigen Phase“, erklärt Kunert.
Vom Verkauf zum Service
Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt in der professionellen Begleitung nach dem Verkauf. „Die wenigsten Händler fragen den Kunden vier Wochen nach Übergabe: ,Sind noch Fragen aufgetaucht?‘ Dabei wäre genau das ein einfacher und effektiver Schritt, um den Übergang zwischen Sales und Aftersales zu gestalten und Kundenzufriedenheit langfristig zu sichern“, erklärt Kunert.
Mehrstufige Auslieferungsprozesse, Nachfassaktionen und echtes Interesse am Kundenerlebnis – all das trägt zur Differenzierung bei. Gerade bei komplexeren Fahrzeugen und den neuen Technologien wie zum Beispiel der Vielzahl an Assistenzsystemen reicht eine einmalige Erklärung oft nicht aus.
Aftersales: der unterschätzte Zukunftsbereich
Die Werkstatt wird sich im klassischen Geschäft verändern – weniger Ölwechsel, weniger Wartung. „Wir brauchen ein Comeback der kleinen Dinge, um Rückgänge bei Frequenz und Erträgen zu kompensieren“, ist Kunert überzeugt. Dazu gehören: Reinigung, Scheibenwischer, Dellen, saisonale Checks (Urlaub, Klima, Reifen), aber auch kreative Zusatz- und Erlebnis-Angebote wie Herstellerbesuche oder Offroad-Parcours.
„Der Kunde steht zu wenig im Mittelpunkt“, bringt es Kunert auf den Punkt. Viele Autohäuser beschäftigen sich – durchaus verständlich – derzeit mehr mit Prozessen, Verträgen und Herstellervorgaben als mit ihren Kunden. „Was Kunden heute suchen, ist ein sicherer Ansprechpartner – persönlich, kompetent, ehrlich. In einer zunehmend komplexen Welt mit neuen Mobilitätsformen und digitalen Möglichkeiten bleibt die Beziehung zum Kunden das entscheidende Differenzierungsmerkmal.“ Wer diese Chance erkennt und umsetzt, wird auch in Zukunft erfolgreich sein.