Das war die kürzeste Verhandlung, die ich im Laufe meiner Anwaltstätigkeit je erlebt habe. In einem Verfahren, in dem es beim Oberlandesgericht Wien um einen Geldbußenantrag gegen Peugeot wegen „Marktmissbrauch im Kfz-Sektor“ geht. Ein Marktmissbrauch, der bereits am 17. Februar 2021 vom Obersten Gerichtshof festgestellt worden war. Mit der Verpflichtung, die höchstgerichtlich gerügten Verstöße in der Zusammenarbeit mit den Peugeot-Händlern und -Werkstätten umgehend einzustellen. Ein Auftrag, dem Peugeot aus der Sicht der Wettbewerbs-behörde BWB nur unzureichend nachgekommen ist.
Dass Peugeot seine Marktmacht bei der Zusammenarbeit mit den Händlern und dem Händlerverband missbraucht hat, kann Peugeot aufgrund der höchstgerichtlichen Kartellentscheidung nicht mehr bestreiten. Es geht also jetzt darum, ob dieses wettbewerbswidrige Verhalten, mit dem Peugeot seine Partner in der Vergangenheit gegängelt hat, ein „schuldhaftes“ Foul an den Händlern war oder nur en passant passiert ist, weil das alle anderen genauso machen. Und das Management gar nicht bemerkt hat, dass die Peugeot-Händler zu keinem anderen Peugeot-Importeur wechseln können – weil es keinen anderen gibt. Weshalb Peugeot gegenüber seinen Händlern und Werkstätten marktbeherrschend ist.
Wie blauäugig bzw. ahnungslos das Peugeot-Management damals wettbewerbsrechtlich war – von dem hängt es jetzt ab, ob und welche Buße das Kartellgericht über Peugeot verhängen wird. Der Senat wird auch beurteilen, welche Anstrengungen Peugeot nach dem OGH-Urteil unternommen hat, um die Zusammenarbeit mit den eigenen Vertragspartnern wieder in wettbewerbsrechtlich faire Bahnen zu lenken.
Peugeot kann nun damit punkten, dass der gesamte Vertrieb mit dem neuen Agentursystem völlig neu aufgestellt wurde. Das wettbewerbswidrige Verhalten sei daher Schnee von gestern – in Zukunft wird alles besser. Im Prozess will man den Anschein erwecken, dass die Umgangspraxis mit dem Autohaus Büchl – als Anlass für das OGH-Urteil – nur ein Einzelfall war.
Die Aussagen im Prozess wären natürlich nicht nur für Peugeot-Partner, sondern für die ganze Kfz--Händlerschaft interessant. Das war auch der Grund, warum ich darüber in A&W berichten wollte. Mich hat natürlich auch interessiert, wie Peugeot aus heutiger Sicht – nach dem OGH-Urteil – seine Zusammenarbeit mit den Händlern beurteilt. Dass bei dieser Zeugeneinvernahme möglicherweise auch Betriebsgeheimnisse zur Sprache kommen, war natürlich nicht auszuschließen: Für Peugeot ein willkommenes Argument, mich als „Öffentlichkeit“ von dieser Zeugeneinvernahme gerichtlich ausschließen zu lassen.
Mit diesem BWB-Bußgeldantrag gegen Peugeot wird sich auch zeigen, wie ernst auch andere Stellantis-Konzernmarken derartige höchstgerichtliche Urteile nehmen müssen. Auch anderen Konzernzentralen ist das bis heute nicht klar. Schließlich handelte es sich um einen Musterprozess, wie es ihn in der ganzen EU vorher noch nicht gegeben hatte. Es wäre daher schade, wenn das Ergebnis all dieser Mühen mit dem berühmten Hornberger Schießen zu vergleichen wäre.
Bedauernswert und keinesfalls wettbewerbsfördernd ist jedenfalls die Tatsache, dass faktisch alle Kfz-Importeure schon den simplen Text ihrer umfangreichen Händlerverträge als „Betriebs-geheimnis“ einstufen. Transparenz schaut jedenfalls anders aus.
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